Wann bei der integrierten Versorgung eine gewerbliche Infizierung droht

Ärztliche Gemeinschaftspraxen können ihren freiberuflichen Status verlieren und gewerblich werden, wenn sie neben ihren freiberuflichen Tätigkeiten auch gewerbliche ausüben. Diese gewerbliche Infizierung ist gesetzlich geregelt und erfasst die gesamte Tätigkeit der Gesellschaft. Sie führt unter anderem in die Gewerbesteuerpflicht. In diesem Zusammenhang hat die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (OFD) kürzlich auf Folgendes hingewiesen:

 

Die gewerbliche Infizierung ist auch in Fällen der integrierten Versorgung durch Gemeinschaftspraxen zu beachten. Hierbei wird zwischen Arzt und Krankenkasse vertraglich geregelt, dass die Kasse dem Arzt für die Behandlung der Patienten bestimmte Fallpauschalen zahlt. Diese Pauschalen decken sowohl die (freiberufliche) medizinische Betreuung als auch die (gewerbliche) Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln ab. Laut OFD führt der gewerbliche Anteil der Fallpauschalen bei Gemeinschaftspraxen zu einer gewerblichen Infizierung der gesamten Einkünfte.

Etwas anders gilt, wenn im Rahmen der integrierten Versorgung Hilfsmittel verwendet werden, ohne deren Einsatz die ärztliche Heilbehandlung nicht möglich wäre (z.B. Einsatz künstlicher Hüftgelenke). Der Hilfsmitteleinsatz ist dann nicht als gewerbliche Tätigkeit anzusehen, so dass er keine gewerbliche Infizierung herbeiführen kann. Die Verwendung der Hilfsmittel ist hier Bestandteil der ärztlichen Gesamtleistung (einheitliche heilberufliche Leistung).

 

Der Bundesfinanzhof hat eine Geringfügig-keitsgrenze entwickelt, nach der die Gesamttätigkeit erst dann gewerblich infiziert wird, wenn die gewerblichen Nettoumsatzerlöse

  • eine Bagatellgrenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze und zusätzlich
  • den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum übersteigen.

 

Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung mittlerweile allgemein anerkannt, so dass die Geringfügigkeitsgrenze über den Einzelfall hinaus für alle Gemeinschaftspraxen gilt.

 

HINWEIS:

Sofern eine Gemeinschaftspraxis voraussichtlich die Grenzwerte überschreiten wird, kann sie eine gewerbliche Infizierung gleichwohl noch abwenden. Dazu muss sie eine (beteiligungsidentische) Schwesterpersonengesellschaft gründen und die gewerbliche Betätigung dorthin auslagern. Durch diesen Kniff können die gewerblichen Aktivitäten in einer eigenen Gesellschaft isoliert werden, so dass die Gemeinschaftspraxis weiterhin freiberuflich bleibt.

Fundstelle: OFD Frankfurt/Main, Vfg. v. 16.08.2016 – S 2241 A - 65 - St 213; www.steuer-telex.de